Für die einen seit 30 Jahren – für die anderen das erste Mal
Manchem ist sicherlich bekannt, dass zwischen den Großgemeinden Kolkwitz und Großmehring eine Partnerschaft besteht. Nach dem Besuch der Großmehringer im vergangenen Jahr bei uns, erfolgte am ersten Augustwochenende nun unser Gegenbesuch in Bayern. Zum 30-jährigen Jubiläum der Gemeindepartnerschaft durften auch zwölf Jugendliche unserer Gulbener Dorfjugend mitfahren. Hier nun ein – trotz umfassender Länge – kurzer Reisebericht aus unserer Perspektive. Es lohnt sich, bis zum Ende durchzuhalten. J
„Wenn Engel reisen, dann lacht der Himmel.“ heißt es. Davon merkten wir nichts, als wir am Freitagmorgen im Regen den Bus der Firma Quitzk bezogen. Dabei war neben dem Gastgeschenk des Bürgermeisters unsere große, geheimnisvolle Pappkiste wohl das sperrigste Ladegut. Nachdem alle und alles einen Platz gefunden hatten, erfolgten die ersten Grußworte unseres Bürgermeisters. Es sollten, weiß Gott, nicht die einzigen bleiben. So begann eine feuchtfröhliche Busreise mit ausreichenden Zwischenstopps, guter Laune und zunehmender Lautstärke. Als mittig sitzende Jugend unterhielten wir den Bus mit bester Musik und Gesang. Besonders die Kreisverkehre lernten die Mitreisenden durch uns lieben.
Nach rund 8 Stunden Fahrt ohne große Zwischenfälle kamen wir in Großmehring an. Noch im Bus bekamen wir einen Button in die Hand, den wir unseren Partnern zur Begrüßung anstecken konnten. Vor dem neuen Rathaus hatten sich eine Blaskapelle, die Reisenden des letzten Jahres und Interessierte in Habachtstellung begeben. Der Ausstieg aus dem Bus glich einem Präsentierteller. Doch das Gefühl verflog, als wir kurzerhand zu den schönen Polken das Tanzbein schwangen. Bei Getränken, Snacks und (natürlich) ausgetauschten Grußworten der beiden amtierenden Bürgermeister war dann Zeit für die ersten Smalltalks. Während sich die „Erwachsenen“ und älteren Generationen schon gegenseitig in den Armen lagen, gestaltete sich das für uns bei einem Verhältnis an Jugendlichen von 12:3 schwieriger – aber machbar. Anschließend wurden wir ins unsere Unterkunft verbracht, die sich als schmuckes Hotel an einem nahegelegenen Gewerbegebiet herausstellte. Es blieb nur wenig Zeit fürs Beziehen der Zimmer und ein kurzes Frischmachen, denn der nächste Programmpunkt wartete schon: das Abendbrot in der Nibelungenhalle. Diese können sich Zuhausegebliebene als Kolkwitz-Center vorstellen. Man könnte meinen, die Gemeinden hätten damals statt Freundschaftsbändern den gleichen Architekten gewählt.
Wir waren zwar vorgewarnt worden, aber die Grußworte der Bürgermeister (Pl. !) zogen sich. Ja, hier nicht im Dual denken, sondern definitiv den Plural nutzen. Neben den beiden amtierenden, grüßten auch die Altbürgermeister und weitere Personen mitunter mehrfach. Bei manchen Reden überlegten wir, ob Google-Translater eine „Bayrisch-Deutsch“-Einstellung habe. Ein Simultanübersetzer wäre mitunter sehr hilfreich gewesen, aber nach etwas Gewöhnung verstanden wir die Anekdoten und Witze dann doch ausreichend gut. Und „Das Buffet ist eröffnet!“ erkennt wohl jeder in allen Sprachen und Dialekten der Welt. Nach einem sehr reichlichen und schmackhaften Essen grüßte dann die (wohl eigens für uns geladene) Trachtentanzgruppe mit verschiedenen Schuhplattlern. Wir erwiderten natürlich gern und legten Polka, Rheinländer, Kreuzpolka und Diskofox auf. Ein paar Tanzrunden später ließen wir die Erwachsenen mit ihren Gesprächen in der Nibelungenhalle zurück und bekamen das benachbarte Trachtlerheim gezeigt. Bei Tischkicker und „Goaßmaß“ lernten wir so einander besser kennen.
Der Samstag startete nach einer verkürzten Nachtruhe mehr oder weniger pünktlich. Wir hatten einen straffen Zeitplan von den Großmehringern bekommen; wohl auch als kleinen Akt der Rache vom vergangenen Jahr. So starteten wir mit einer Führung durch das neue Rathaus. Wir waren von der großzügigen Aufteilung auf drei (mit Keller vier) Etagen, dem integrierten
Trauzimmer und dem im Sitzungssaal maßangefertigtem Schreibtisch für 22 Personen schwer beeindruckt. Auch die angegliederte und umfassend ausgestattete Gemeindebibliothek begeisterte mit ihrem Komfort. Nur in der Eingangshalle bemerkten wir Verbesserungspotential: Bei den kunstvollen Metallplatten, die die Ortsteile der Großgemeinde darstellten, hatte man den entsprechenden Umriss der Partnergemeinde vergessen. Aber was nicht ist, kann ja noch werden! J
Weiter ging es in der ebenfalls neugebauten, integrativen Kita. Auch hier imponierten großzügige, helle Raumkonzepte und Modernität. Da für uns Jugendliche die Kita-Zeit ohne Zweifel die wenigsten Jahre zurückliegt, war unser Interesse mindestens genauso groß, wie das der mitreisenden (potentiellen) Omas und Opas. Wir waren uns trotzdem einig, unsere charmanten Kita-Jahre in Kolkwitz nicht gegen so einen modernen Neubau eintauschen zu wollen.
Bei einem zünftigen Mittagessen verdauten wir die vielen Eindrücke der ersten Tageshälfte. Wir mussten außerdem eine gute Grundlage für den zweiten Teil schaffen, denn man erwartete uns schon im deutschen Hopfenmuseum. Nach der dortigen Führung mit allerlei Infos über Anbau, Ernte, Botanik und Bedeutung des Hopfens erfolgte nämlich eine muntere Verkostung verschiedener Biersorten.
Leicht beseelt ging es dann wieder zurück ins Hotel, um sich für den Abend fertig zu machen. Dabei kam unsere große Pappkiste als „mobile Trachtentruhe“ zum Einsatz. Wir bügelten die letzten Falten zu Recht, ehe wir in unseren wendischen Röcken mit Blusen und feinen Seidenschürzen zum „Italienischen Abend“ aufbrachen. Ja, so dachten wir auch: ein italienischer Abend in Bayern mit wendischen Trachten; spannende Kombi und sicherlich einmalig auf der Welt. Wer sich dieses große Gemeindefest vorstellen möchte, denke am ehesten an die Spülmittelwerbung mit den großen Festtafeln in Villarriba und Villabajo. Dazu jede Menge Pizza, Pasta und Antipasti, Wein und die immer gleichen drei großen italienischen Hits. Die Kopie des Holzrahmens, den wir bei unserer Gulbener Kirmes für die Erinnerungsfotos aufstellen, ließ es gleich heimisch wirken. Nur wäre bei uns niemals die einzig mögliche Tanzfläche als Sandkasten für die Kinder überschüttet worden! Aber keine Sorge, wir begnügten uns einfach mit den übriggebliebenen Lücken zwischen Bänken und Getränkezelt. Als Abkühlung gönnten wir uns dann ein Eis aus dem sehr gefragten Eisautomaten. Wir folgten zwischenzeitlich der Einladung eines Trachtlerburschen zu einer Runde Flunkeyball auf dem nahegelegenen Hof. Ausgerechnet dabei zeigten sich deutliche Unterschiede zwischen Bayern und Brandenburg: „Bei euch scheint das ja Leistungssport zu sein, bei so strengen Regeln!“ bekamen wir zu hören. Aber mit beidseitigem Humor und kräftigem gesanglichen Fanclub ging die Partie mit einem freundschaftlichen Unentschieden zu Ende.
Trotz eines langen Abends begann der Sonntagmorgen frisch und halbwegs munter. Kurz vor zehn sammelten wir uns vor der Dorfkirche, um dann verwundert in den unscheinbaren Anbau – eine katholisch-moderne Kirche – geführt zu werden. An dem ökumenischen Gottesdienst waren aber nicht die für uns fremden, katholischen Liturgiegesänge das Überraschendste, sondern die Grußworte der beiden Bürgermeister. Sie verkündeten, dass man sich schneller als üblich wiedersehen wolle. Kurzerhand war beschlossen worden, dass die Großmehringer schon im kommenden Jahr 2025 wieder in Kolkwitz sein werden! Diese frohe Botschaft war kaum zu toppen. Nicht einmal die nachfolgende kurze Besichtigung der eigentlichen, alten Dorfkirche mit all ihrem katholischen Barockprunk verdrängte diese Aufregung. Und so war es nicht verwunderlich, dass zum abschließenden, gemeinsamen „Weißwurstfrühstück“ die Ideen und Planungen des nächsten Jahres Fahrt aufnahmen.
Nach dem reichlichem Austausch von knapp 45 Stunden bezogen wir wieder unseren Bus. Unsere Jugend bekam neben jeder Menge Eindrücken und Fotos ein besonders schönes, großes, aber leeres Andenken mit auf den Heimweg. Auf dass wir es zum nächsten Mal wieder füllen!
Ziemlich k.o. begann die lange Busfahrt dann mit einem verdauenden Mittagsschlaf, ehe sich die Stimmung bei gemeinsamen Kartenspielen wieder hob. Trotz Zwischenstopps und unfallbedingten Staus kamen wir glücklich und zufrieden am Abend in Kolkwitz an. An dieser Stelle noch „Ein Hoch auf unsern Busfahrer!“, der uns das ganze Wochenende gut, sicher und mit viel Humor zu unseren Zielen brachte.
Und das wichtigste zum Schluss: Einen herzlichen Dank an die Gemeinde(n) für diese Möglichkeit des Austausches von uns Jugendlichen! Wir sind sicher, auch zukünftig davon profitieren und den Gemeinden dafür etwas zurückgeben zu können.
Alina Bzdak im Namen der Dorfjugend Gulben